Mittwoch, 16. Dezember 2009

My last words

Meine Guete, wie die Zeit fliegt. Jetzt sind es nur noch drei Tage im Buero. Ich sass gerade im Buero des DoPs in dem selben Sessel, wie bei meiner Ankunft und es kam mir vor als waere es gestern, dass ich in Malawi angekommen bin und nicht wusste, was mich hier erwartet. Jetzt weiss ich es, mich erwartete hier sehr viel. Wie das letzte Wochenende mal wieder bewiesen hat. Ich habe mich am Samstag einem ausgiebigen Kulturprogramm hingegeben, was in der Form sicherlich nur wenige Fremde zu sehen bekommen. Mphatso, die Tochter meiner Familie, hat mich mit ihren Freunden zu einem traditionellen Tanz gefuehrt. Wir sind dazu in ein Dorf in der Naehe Lilongwes gefahren. Dort wurde dann erst stundenlang diskutiert. Und dann ging es los. Unter einem Baum wurden Stuehle fuer die Ehrengaeste und die Dorfaeltesten aufgestellt, ein Frauenchor begann zu singen und in der Ferne hoerte man das Geschrei der Geister. Dann rannten Kinder. Die Geister kamen. Insgesamt haben sich 7 Geister eingefunden, die abwechselnd ihre Taenze vorfuehrten. Natuerlich wollten sie Geld dafuer. Kleine Scheine. Mir alleine war es erlaubt die Geldscheine den Geistern persoenlich in die Hand zu geben. Die anderen legten ihre Scheine in kleine Schuesseln, aber sie wollten den Geistern auch gar nicht zu nahe kommen. Es war schon komisch die Anfang Zwanzigjaehrigen in Angst und Schrecken vor den Geistern zu sehen. Da spuert man das neben dem Christentum die traditionellen Religionen auch weiterhin existieren. Das alles hoert sich jetzt vielleicht abstrus und irritierend an, aber das war es auch. Und am Ende wollten natuerlich alle Geld und wer sollte bezahlen, na klar, der Weisse. So wollten alle 4 Chiefs (Einer fuers Wasser, einer fuers Farmen, einer fuers Schreiben, und ein Dorfchief) Geld haben, dann noch Geld fuer den Chor, die Geister, den allgemeinen Tanz. Auch wenn es mich etwas aufgeregt hat, dass ich alles bezahlen sollte, hat es sich im Endeffekt doch gelohnt.

Am Sonntag ging das Kulturprogramm direkt weiter. Im Capital Hotel fand eine Messe fuer urbane Kultur statt. Anwesend waren junge Kuenstler (Maler und Grafittisprayer), junge Designer. Es gab einen Mini-Poetry-Slam, einen Tanzwettbewerb, ein Freestyle-Battle und natuerlich das beste, was Malawis Musikszene. Und ich mittendrin. Es war super.

Anfang dieser Woche (Montag und Dienstag) war ich dann auf meinem letzten Meeting. Es fand in der Kumbali Lodge statt, die hier nur Madonna Lodge genannt wird. denn jedes Mal, wenn Madonna nach Malawi kommt, um mal wieder n Kind zu adoptieren oder ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen und etwas Geld spendet, naechtigt sie in dieser Lodge. Ihr Standardzimmer wird auch nur an sie vermietet und an sonst niemanden. Auch die GTZ hat dort ein Meeting abgehalten und so hat ich mal wieder etwas Gelgenheit, mich einzuschleimen, ins Gespraech zu kommen und mich bekannt zu machen. Man weiss ja nie, vielleicht war ja mein zukuenftiger Chef dabei.

Letzte Woche hab ich dann noch einen Crash-Kurs im Nsima kochen bekommen. Ich kann euch sagen, das ist gar nicht so einfach, wie es dann schmeckt...Das ist harte Arbeit und man braucht schon riesige Muckis (hab ich ja). Aber jetzt, wo ich weiss, wie es geht, steht kommenden Nsima-Orgien im Januar ja nichts mehr im Wege. Ich werde dann die Instruktionen geben und ihr kocht...

Ich habe ja ganz vergessen die letzten News vom Strassenbaus kund zu tun. Ich erinner noch mal. Eine duenne Teerschicht (milimeterduenn), dann Kieselsteine drueber gestreut, dann kam noch eine duenne teerschicht drueber und fertig. Halten wird die Strasse nicht lange. Schon jetzt ist sie sehr rissig. Und voller Fuss- und Reifenspuren. Aber es ist die einzige Strasse in ganz Malawi, die weisse Mittelstreifen hat. Warum? Das kann niemand beantworten, vielleicht hatte man zum Ende des Jahres noch Geld uebrig, was ich mir bei der derzeitigen Situation aber eher nicht vorstellen kann.

Die hier ist ja wahrscheinlich mein letzter Blogeintrag. Freitag ist der letzte Tag im Buero und dann geht es auf grosse Reise. Samstag am fruehen Morgen mache ich mich auf in Richtung Norden, nach Nkhata Bay, zu einem der schoensten Straende, dort bleibe ich bis Montag. Und dann gehts auf Kreuzfahrt. Von Montag bis Mittwoch habe ich eine Kabine auf Malawis einzigem grossen Schiff (Baujahr 1947) gebucht und werde von Norden Richtung Sueden tuckern, unter anderem gehts auch nach Mozambik. Ich werd dem Kapitain mal zeigen, was ein richtiger Seemann ist. Ich komm dann am Heiligabend zurueck nach Lilongwe und verbringe hier mein Weihnachten. Ich weiss nicht, ob ich irgendwo unterwegs noch einmal ins Internet komme, deshalb hier die Liste der Dinge, die ich vermissen werde:

Es wird mir fehlen:
- Abends bei Kerzenschein zu sitzen, weil es mal wieder keinen Strom gibt
- Den PC boese anzustarren, weil es eine halbe STunde dauert eine Mail zu laden
- Zu zwanzigst in einem Bus zu sitzen, der fuer 14 gedacht ist
- Gespraechen zu lauschen, die ich nicht verstehe und nur anhand von Gestik, Mimik, Tonlage und einzelnen Woertern das Thema erraten kann
- Nachts aufzuwachen und eine Stunde im Zimmer herumzurennen um mit Frau Muecke fangen zu spielen
- Auf eine Sache, die angeblich nur 10Minuten dauert, 2 Stunden lang zu warten
- Taeglich Nsima zu essen
- Auf der Strasse von wildfremden Leuten gegruesst zu werden
- Zu wichtigen Meetings eingeladen zu werden
- Von den Kindern Mzungu genannt zu werden
- Ekelhafte Gerichte mit viel PiriPiri und Selbstbeherrschung zu verspeisen ohne mit der Wimper zu zucken
- Morgens um 6Uhr aufzuwachen und schon 30Grad zu haben
- Von Leuten angerufen zu werden, die einfach nur mal “Gute Nacht” sagen wollen
- Die ganze Woche Themen fuer meinen Blog zu sammeln
- Mit Rasta/my friend/ my brother/ sir/ boss/ big man angesprochen zu werden
- Leute lachen zu sehen, die dazu eigentlich keinen Grund haben, weil sie eigentlich gar nichts haben ausser sich und das Leben
In dem Sinne:
Mavuto athu ndi wang’ono wokha kwambiri (Unsere Porblem sind sehr klein)

Machts gut Nachbarn, ick meld mich, wenn wieder in taun bin und frohe Weihnachten, trinkt nicht zu viel und lasst euch immer namen und addresse geben.

PS: Zum Schluss noch ein nachtraeglicher Geburtstagsgruss fuer Oberstudienrat Natzmer und alles Gute fuer den zukuenftigen Dr Prof Dr Lochmann...

Montag, 7. Dezember 2009

Ja, 70 Tage bin ich nun schon in Malawi und damit nur 20 Tage entfernt von der Gesamtzeit der vierten Big Brother Staffel Afrika, die gestern zu Ende ging. Big Brother ist hier ein Riesenevent gewesen und beinahe jeder, der einen Fernseher und Strom hat, hat es geguckt. Anders als in Deutschland bestand das Haus aus Repraesentanten aus ganz Afrika und im gestrigen Finale war auch ein Maedchen aus Malawi vertreten, die aber insgesamt nur den vierten Platz belegt hat. In den letzten Wochen waren die Zeitungskolummnen voll mit Meinungen ueber die Teilnehmerin aus Malawi. Kirchen und andere religioese Vertreter wetterten immer wieder, dass sich so keine malawische Frau benimmt und auch nicht Malawi so repraesentieren darf, weil es nicht christlich sei, denn die junge Frau trank und hatte Liebesaffaeren. Die Gegenseite wetterte zurueck, dass die religioesen Vertreter doch die Show nicht gucken muessten und ueberhaupt, wie benimmt sich eine typische Malawierin eigentlich. Ich habe nur kurz mal reingeschaut in die Sendung und fand sie genauso schrecklich wie in Deutschland...
Obwohl letzte Woche ziemlich langweilig war, was den Bueroalltag betrifft, war es doch wieder eine spannende Woche. Im Buero hatte ich mal wieder ueberhaupt nichts zu tun, weil der Laptop, den ich benutzte leider kaputt ist (NEIN, es ist nicht meine Schuld), und ich musste mir wiederalleine eine Beschaeftigung suchen. Aber ich wurde sooft zum Essen eingeladen wie nie zuvor. Der DoP hat mich zum Lunch zu sich nach Hause eingeladen, der ED in ein feines Restaurant und dann hatten wir auch noch hohen Besuch von Transparency International. Sicherlich wisst ihr ja alle, dass deren Hauptsitz in Moabit ist, also war die Vertreterin aus Berlin. Sie war besuchte Malawi, weil TI hier ein Chapter aufbauen moechte und MEJN soll die Fuehrung uebernehmen. Sie war sehr ueberrascht hier einen deutschen Praktikanten anzutreffen und lud mich direkt zum Dinner ein. Dort quatschten wir ueber Malawi, Afrika und die Welt. Sie fragte mich auch ein wenig ueber MEJN aus und ich brachte ine paar kritische Bermerkungen an. Ich merkte auch, wie viel ich gelernt habe in meiner Zeit hier. Anscheind hat es auf sie maechtigen Eindruck gemacht, den sie hat mir ihre Karte gegeben und mir mehrmals gesagt, dass ich mich doch melden soll, wenn ich wieder in Deutschland bin, da auch TI Praktikumsplaetze anbieten...So baut man Beziehungen auf. “Nicht, dass ich versucht habe, mich unter die Haube zu bringen, ich wuerde [MEJN] nicht sitzen lassen, solange sie noch faehig [sind]. Bloss ich musste schliesslich auch mal an die Zukunft denken, die einem frueher oder spaeter immer auf den Kopf faellt”. Bei diesem Dinner war auch noch eine ehemalige Mitarbeiterin der malawischen Botschaft in Berlin anwesend. Meine Guete, wenn alle Botschaftsmitarbeiter so sein muessen, wie diese Frau, dann ueberlege ich es mir noch einmal mit dem Berufswunsch. Sie war wie eine Society Lady aus einem schlechten Film, hat die gesamte Zeit gelaechelt und fand alles “Great”, “Nice” und “Excellent”. Abe rich war faehig sie in einigen politischen Anekdoten ueber Malawi zu berichtigen und hatte sogar Recht damit...jaja, alter Protzer, ich weiss...
Was gibt es ansonsten so neues in Malawi. Das Parlament hat ein Police Bill erlassen, was Polizisten erlaubt jeden beliebigen Menschen und jedes beliebige Objekt (Auto, Haus, Taschen) ohne Angaben von Gruenden zu durchsuchen. Malawi auf dem Weg zu einem bankrotten Polizeistaat? In den letzten 2 Wochen sind 8 Menschen in Polizeigewahrsam gestorben. Die Erklaerungen waren so laecherlich wie: ausm fahrenden Fahrzeug gesprungen, oder versehentlich Erschossen...
Obwohl seit einer Woche (laut Regierungsangaben) wieder alles normal laufen soll an den Tankstellen, ist dies natuerlich nicht der Fall. Schlaue Oekonomen haben schon ausgerechnet, dass Malawi im letzten Monat 111Milliarden MK (530Millionen Euro) durch die Treibstoffkrise verloren hat und in jedem weiteren Monat, in dem die Krise andauert, weitere 80Milliarden MK verlieren wird. Ich wollte am Freitag ein Foto machen von einer Menschenmenge an einer Tankstelle, die gerade eine Lieferung bekommen hat, und bin durch einen hilfreichen Passanten gerade noch davor gewarnt worden. Am Vortag hat dasselbe wohl eine weisse Frau versucht und konnte sich nur mit Muehe und quitschenden Reifen vor einem wuetenden Mob in Sicherheit bringen, wobei ihr Auto aber zu schaden kam. Die Leute denken, dass die Mzungus (weissen) mit den Bildern Profit aus ihrer Situation schlagen wollen, deshalb kommt es schnell mal zu einem Mob. Also habe ich es unterlassen. Ausserdem: “Man muss das mit seinen eigenen Augen gesehen haben, um daran zu glauben, weil die Augen der anderen, das ist nicht dasselbe.

Mein Aufenthalt hier geht jetzt also in die letzte Runde. Natuerlich freu ich mich einerseits auch wieder auf ein luxurioeses Leben mit anstaendiger Musik (ich hab ja angefangen Radio zu hoeren und muss gestehen, dass ich ein Lied von Sean Kingston gut finde...aber dieses Jay-Z/Alicia Keys Lied geht mir ja mal voll aufn Kranz...Gluecklicherweise habe ich eine neue Radioshow etdeckt mit etwas clubtauglischen Dancehall und Soca "Carnival is gonna be a good time.), aber es wird mir sicherlich schwerfallen mich in Deutschland wieder einzugewoehnen. Es sind schon zwei verschiedene Welten. Meine Gastmama hat mir am Wochenende schon gesagt, dass es auch fuer sie schwer sein wird, wenn ich weg bin und dass das Haus dann leerer sein wird und dass sie mich mit Traenen verabschieden werden. “Was ich eigentlich immer komisch gefunden habe, ist, dass die Traenen im Programm vorgesehen waren. Das heisst, dass man dafuer vorgesehen worden ist zu weinen. Darauf muss man erst einmal kommen. Kein Konstrukteur, der auf sich haelt, haette das getan."

Gestern war ja bekanntlich Nikolaus. Ich habe meine Schuhe geputzte wie verrueckt, doch irgendwie waren sie leer. Wahrscheinlich kommt der Nikolaus nicht nach Afrika. Das hier Weihnachtszeit ist merkt man auch nur dadurch, dass einzelne Laeden (Shoprite) Weihnachtsdeko haben und in der Zeitung jeden Tag steht, wie viele Tage es noch bis Weihnachten sind. Ach und im Radio lief schon einmal "Last Christmas", sehr merkwuerdig dieses ach-so-tolle Weihnachtslied auch hier zu hoeren. Ich hab ja schon verzweifelt ueberlegt, was ich meiner Gastfamilie zu Weihnachten schenken koennte. Ich hab ja schon erwaehnt, dass sie zutiefst religioes sind und ich habe mich dann einmal mit ihrer Religion (sie sind siebenter tag Adventisten) beschaeftigt und herausgefunden, dass sie Weihnachten zwar anerkennen aber nicht feiern, denn sie meinen, dass Jesus auch an jedem anderen Tag geboren sein koennte. Da faellt mir nur zu ein: "Ich habe versucht mir zu sagen, dass ich gar nicht an diesem Tag geboren war, sowenig wie an einem anderen, und dass diese Geschichten mit dem Geburtsdatum auf jeden Fall nur Kllektivkonventionen sind.".

Und zu guter letzt noch ein besonderer Service, fuer alle die sich noch nichts zu Weihnachten gewuenscht haben und deren Eltern verzweifwelt nach einer Idee fuer ein Geschenk suchen. (Ich habe ja mein Geschenk schon bekommen, ein Heizungsventil. Danke dafuer liebste Mama. Alle die die Ventilgeschichte kennen werden wohl sagen, richtig so, fuer den Rest: naja man muss ja nicht alles verraten.). Wie ihr vielleicht gemerkt habt, habe ich in diesem Eintrag ein paar Zitate eingebaut. Sie stammen alle aus einem der schoensten Buecher, welches wohl jemals geschrieben worden ist. "Du hast das Leben noch vor dir" von Emile Ajar. Ein Buch aus den 70ern ueber einen arabischen Jungen, der bei einer alten Juedin in einem Pariser Ghetto-Vorort (Banlieu(?)) aufwaechst, in einer Art Pension fuer Kinder von Prostituierten. Ein wirklich schoenes, lustiges und auch trauriges Buch, das man gelesen haben muss, den es hat alles, was ein Buch haben muss: Anfang, Ende und viel authentischen Text mittendrin, denn es ist aus der Sicht des Jungen geschrieben. Um euch die Augen etwas waessrig zu machen, hier der erste Satz des Buches:

"Ich kann ihnen gleich schon als erstes sagen, dass wir zu Fuss im sechsten Stock gewohnt haben und dass das fuer Madame Rosa bei all den Kilos, die sie mit sich rumschleppte und nur zwei Beinen ein richtiger Grund fuer ein Alltagsleben war, mit allen Sorgen und Muehen."

na gut, ich will mal nicht so sein. Den zweiten Satz gibts auch noch:

"Daran hat sie uns immer erinnert, wenn sie sich nicht gerade andersweitig beklagte, denn sie war auch noch Juedin."

In diesem Sinne, Tionana und immer daran denken:
"Die Fanumft fafolcht ma, aba ick bin schnella."
(Diesmal nicht aus dem Buch, sondern eine alte Berliner Lebensweisheit.)